Zusammenfassung
Mit der Integration eines migrationsspezifischen Zugangs ist es im Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) erstmals gelungen, Personen mit Migrationshintergrund entsprechend ihrem Anteil in der Bevölkerung an einem bundesweiten Gesundheitssurvey in Deutschland zu beteiligen. In diesem Beitrag werden die migrationsspezifische Vorgehensweise sowie die Definition des Migrantenbegriffs und seine Operationalisierung im KiGGS vorgestellt, die Repräsentativität der Migrantensubstichprobe diskutiert sowie erste Daten zu ihrer Zusammensetzung präsentiert. An der Studie haben sich 2590 Kinder und Jugendliche mit (beidseitigem) Migrationshintergrund beteiligt, das sind in der gewichteten Stichprobe 17,1% aller Kinder und Jugendlichen. Weitere 8,3% der Kinder und Jugendlichen verfügen über einen einseitigen Migrationshintergrund. Die beiden größten Herkunftsgruppen unter den untersuchten Migrantenkindern sind mit 28,2% türkeistämmige und mit 20,4% russlanddeutsche Kinder und Jugendliche. Im Vergleich zu Nicht-Migranten ergeben sich Differenzen hinsichtlich des sozialen Status der Familien, der Stadt-Land- und Ost-West-Verteilung. Betrachtungen zur Repräsentativität der Migrantenstichprobe zeigen, dass im Vergleich zu den Nonrespondern die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen mit geringerem Bildungskapital unterrepräsentiert sind, während sich hinsichtlich der Merkmale Geschlecht des Kindes, Berufstätigkeit des Vaters, Raucherstatus der Mutter keine Verzerrungen konstatieren lassen. Weiterhin schätzen Nichtteilnehmer den Gesundheitszustand ihrer Kinder besser ein als Teilnehmer. Die erfolgreiche Einbindung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im KiGGS bringt ausreichend große Fallzahlen und eine Vielfalt an Informationen mit sich, die differenzierte migrationsspezifische Analysen möglich machen. So werden die KiGGS-Daten dazu beitragen können, einige der derzeitigen Wissenslücken zur Gesundheit von Migrantenkindern zu schließen.
Abstract
A migration-specific approach was used in the German Health Interview and Examination Survey for Children and Adolescents (KiGGS) and thus it was possible for the first time to include children with a migration background in a nationwide health survey in Germany in a number corresponding to their percentage of the population. This article presents the migration-specific approach used in KiGGS as well as a definition of the term „migrant“ and its operationalisation. In addition, we analyse the representativity of the migrant subsample and present data on its composition. Altogether 2,590 children and adolescents with a migration background (both parents) took part in the study; in the weighted sample they account for 17.1% of all children and adolescents. Another 8.3% of the children and adolescents have one parent with a migration background. The two largest groups among the migrant children are Germans from Russia (29.9%) and children and adolescents of Turkish origin (28.2%). There are differences between migrants and non-migrants related to socio-economic status and place of living (rural/urban and East/West). Analyses of the representativity of the migrant sample show that children and adolescents with a lower level of education are under-represented, whereas there were no differences with regard to sex, the fathers' occupation or the mothers' smoking status. Non-respondents rate their children's health better than respondents. Since the successful integration of children and adolescents with a migration background into the KiGGS study brings with it a sufficiently large number of cases and since KiGGS covers a wide range of health-related topics, comprehensive migration-specific analyses can be performed. Thus, KiGGS will contribute to filling some of the current gaps in our knowledge of migrant children's health.
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Schenk, L., Ellert, U. & Neuhauser, H. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in Deutschland. Bundesgesundheitsbl. 50, 590–599 (2007). https://doi.org/10.1007/s00103-007-0220-z
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