Hintergrund und Fragestellung

Aufgrund der Erfahrungen aus den Influenzapandemien des letzten Jahrhunderts und der momentanen Ausbreitung der „Neuen Grippe“ (Influenza A/H1N1) sowie der Ausbreitung des aviären Influenzavirus A/H5N1 gehen Experten davon aus, dass es in den nächsten Jahren zu weiteren Pandemien, mit einer im Vergleich zu saisonalen Influenzawellen deutlich erhöhten Morbidität und Mortalität kommen wird.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat am 11.6.2009 die sogenannte Pandemiephase 6 ausgerufen. Diese wird charakterisiert durch fortgesetzte Mensch-zu-Mensch-Übertragungen des Influenzavirus in mindestens zwei Staaten einer WHO-Region [1]. Die Alarmphasen der Stufen 3 bis 6 sind definiert durch das Ausmaß der Verbreitung einer Infektionskrankheit, unabhängig von den möglichen klinischen Folgen hinsichtlich Pathogenität und Letalität. Phase 6 weist darauf hin, dass sich eine globale pandemische Situation aufbaut.

Bei einer Influenzapandemie erkranken definitionsgemäß sehr viel mehr Menschen verglichen zur jährlichen Grippewelle. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf das Gesundheitssystem. Bei schwerem klinischem Verlauf (das heißt anders als bei der derzeitig kursierenden „Neuen Grippe“) rechnet man bundesweit innerhalb eines Zeitraums von acht Wochen mit zirka 13 Millionen zusätzlichen Arztbesuchen, schätzungsweise 360.000 stationären Patienten sowie 96.000 Todesfällen [1, 2]. Beschäftigte des Gesundheitswesens würden enorme Arbeitsanforderungen zu bewältigen haben.

Da im Rahmen eines Pandemiegeschehens auch die Schließung von Schulen und Kindergärten in Erwägung gezogen wird, stellen sich die Fragen der Kinderbetreuung und der Pflege und Betreuung von etwaig erkrankten Angehörigen [3]. Studien aus den USA belegen, dass gegebenenfalls bis zu 50% der Mitarbeiter des Gesundheitswesens im Falle einer Pandemie nicht zur Arbeit kommen würden [4, 5, 6, 7]. Der Arbeitgeber ist aufgrund vielfältiger gesetzlicher Vorgaben (zum Beispiel Arbeitsschutzgesetz, Arbeitssicherheitsgesetz, Arbeitsstättenverordnung, Biostoffverordnung) verpflichtet, den Arbeitsschutz der Beschäftigten sicherzustellen, zum Beispiel durch Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung wie Atemschutz.

Doch würden die Beschäftigten überhaupt zur Arbeit kommen können beziehungsweise zur Arbeit kommen wollen? Haben die Mitarbeiter das Vertrauen, dass für sie im Falle einer Pandemie alles getan werden wird, um eine Infektionsübertragung zu vermeiden? Müssten wir von ähnlichen Zahlen wie in den USA ausgehen, hätte dies weitreichende Folgen für die Pandemieplanung.

Ziel unserer Studie war die Erhebung von Daten zu Bereitschaft und Möglichkeiten der Mitarbeiter eines Universitätsklinikums, bei einer potenziellen Influenzapandemie zur Arbeit zu kommen.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Das Universitätsklinikum Frankfurt am Main ist ein Klinikum der unabdingbaren Notfallversorgung mit 1184 vollstationären Betten und zirka 3900 Mitarbeitern (33,5% Männer; 66,5% Frauen). Dabei handelt es sich unter anderem um 726 Ärzte, 1300 Mitarbeiter im Pflege- und Funktionsdienst sowie 949 Mitarbeiter im medizinisch-technischen Dienst (zum Beispiel MTA, MTRA). Das Durchschnittsalter der Beschäftigten beträgt 40,8 Jahre (Spanne 17–67 Jahre).

Von Anfang Oktober bis Ende November 2008 wurde im Rahmen der Influenzaimpfung der Mitarbeiter eine anonyme, freiwillige Fragebogenerhebung bezüglich der persönlichen Einstellungen im Falle einer etwaigen Influenzapandemie durchgeführt. Der Fragebogen war in Zusammenarbeit zwischen einer Arbeitsmedizinerin, einem klinischen Virologen und einem Infektiologen entwickelt und an einer Gruppe von zehn Beschäftigten vorgetestet worden. Der Fragebogen (siehe Anhang) enthielt acht Fragen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten und Platz, um Anregungen und Anmerkungen machen zu können.

Die Mitarbeiter, die sich gegen Influenza impfen ließen, erhielten bei der Impfung den anonymen Fragebogen und wurden über die Studie in Kenntnis gesetzt. Etwaige Fragen konnten direkt mit der Arbeitsmedizinerin besprochen werden. Der Fragebogen wurde von den Beschäftigten in eine Art „Wahlurne“ geworfen, ein Rückschluss auf die Identität der Beschäftigten war nicht möglich. Erhoben wurden Alter, Geschlecht, Berufsgruppe, Bereitschaft, im Rahmen einer Influenzapandemie zur Arbeit zu kommen, persönliche Möglichkeiten, überhaupt im Falle einer Influenzapandemie zur Arbeit zu kommen, beispielsweise nach gesicherter Versorgung von Angehörigen oder Abhängigkeit von öffentlichen Transportmitteln, sowie das Vertrauen der Beschäftigten gegenüber organisatorischen und politischen Entscheidungen hinsichtlich des Schutzes der Mitarbeiter des Gesundheitswesens.

Die statistischen Analysen der Häufigkeitsverteilungen erfolgten mittels Chi2-Test nach Pearson. Ein p-Wert <0,05 wurde als statistisch signifikant gewertet.

Ergebnisse

Von den 3900 Mitarbeitern des Universitätsklinikums Frankfurt ließen sich bis zum 30.11.2008 insgesamt 1244 Mitarbeiter (31,9%) gegen Influenza impfen – 28,9% aller weiblichen und 36,8% aller männlichen Beschäftigten. Damit war die Rate der geimpften Männer signifikant höher als die der Frauen (p<0,0001).

Insgesamt 1231 Beschäftigte (98,9%) füllten den anonymen Fragebogen aus (Abb. 1) und nahmen an der Studie teil, die demografischen Daten der Teilnehmer sind in Tab. 1 dargestellt. Insgesamt 14,3% der Mitarbeiter gaben an, dass sie einen Arbeitseinsatz während eines Influenzapandemiefalls ablehnen würden. Die Beschäftigten aus der Verwaltung zeigten dabei prozentual die höchste Rate an Mitarbeitern, die angaben, dass sie nicht kommen würden (23,7%), wohingegen Ärzte nur zu 6,1% ihre Tätigkeit im Pandemiefall infrage stellen (Abb. 2 und Tab. 2). Dieser Unterschied zwischen dem ärztlichen Personal und dem Verwaltungspersonal ist statistisch signifikant (p<0,001), wohingegen der Vergleich der Berufsgruppe Pflegepersonal/Verwaltungspersonal keinen signifikanten Unterschied (p>0,05) zeigt.

Abb. 1
figure 1

Der für die Studie verwendete Fragebogen

Tab. 1 Demografische Daten der Teilnehmer (n=1231)
Abb. 2
figure 2

Persönliche Angaben der Beschäftigten des Universitätsklinikums Frankfurt (n=1231) im Rahmen einer anonymen Fragebogenerhebung. Frage: Würden Sie im Influenzapandemiefall zur Arbeit kommen? Darstellung der Fehlerbalken mittels 95%-Konfidenzintervalle

Tab. 2 Bereitschaft und persönliche Möglichkeit, im Falle einer Influenzapandemie zur Arbeit zu kommen (n=1231)

Vergleicht man die Bereitschaft, im Pandemiefall zur Arbeit zu kommen, zwischen der Berufsgruppe des ärztlichen Personals mit den Mitarbeitern aus dem Pflegedienst (17,2%), ergibt sich ebenfalls ein signifikanter Unterschied (p<0,001). Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern bei beiden Berufsgruppen (p>0,05). Aufgrund von persönlichen Verpflichtungen (Betreuung von Kindern sowie erkrankten Angehörigen) würden 16,5% der Mitarbeiter und aufgrund von Transportproblemen 12,8% der Beschäftigten nicht kommen können. Bei der Kalkulation der Mitarbeiter, die insgesamt nicht kommen könnten, wurden Doppelmeldungen des „Nichtkommens“ (zum Beispiel wegen Transportproblemen sowie Kinderbetreuung) ausgeschlossen, sodass im Falle einer potenziellen Influenzapandemie zusammenfassend 36,2% der Befragten angaben, nicht zur Arbeit zu kommen.

Insgesamt 12,8% der befragten Mitarbeiter waren zum Zeitpunkt der Befragung unentschlossen. Die Bereitschaft und persönliche Möglichkeit, im Falle einer Influenzapandemie zur Arbeit zu kommen, ist in Tab. 2 dargestellt.

Als Beweggründe der Beschäftigten, nicht zur Arbeit zu kommen, wurde am häufigsten (77,2%) die „Angst um die Familie“ gefolgt von der „Angst um die eigene Gesundheit“ (71,6%) genannt.

Das Vertrauen, dass für die Beschäftigten im Influenzapandemiefall alles getan werden würde, um sie zu schützen, wurde für die Bereiche Arbeitgeber, öffentliches Gesundheitswesen und Politik getrennt erhoben und ist in Abb. 3 dargestellt. Am schlechtesten schnitt hierbei die Politik ab.

Abb. 3
figure 3

Persönliche Angaben der Beschäftigten des Universitätsklinikums Frankfurt (n=1231) im Rahmen einer anonymen Fragebogenerhebung. Frage: Glauben Sie, dass für Mitarbeiter im Gesundheitswesen im Pandemiefall alles getan wird, um diese vor einer Infektionsübertragung zu schützen (vom Arbeitgeber, vom öffentlichen Gesundheitswesen, von der Gesellschaft/Politik). Darstellung der Fehlerbalken mittels 95%-Konfidenzintervalle

Ob Mitarbeiter im Gesundheitswesen die ethische Pflicht haben, im Influenzapandemiefall auch unter persönlichem Risiko zur Arbeit zu kommen, wurde von den verschiedenen Berufsgruppen unterschiedlich bewertet. Die höchste ethische Verpflichtung, im Pandemiefall zur Arbeit zu gehen, wurde von den Ärzten angegeben (66,6%), die geringste Verpflichtung sahen die Mitarbeiter aus der Verwaltung (46,2%) (Tab. 3). Männer gaben signifikant häufiger (64,2%) als Frauen (49,9%) an, dass sie eine ethische Verpflichtung sehen, im Pandemiefall zur Arbeit gehen zu müssen (p<0,0001).

Tab. 3 Ethische Verpflichtung, im Falle einer Influenzapandemie zur Arbeit zu kommen (n=1231)

Gründe, eine etwaige ethische Verpflichtung abzulehnen, waren einerseits „Eigenschutz geht vor“ (76,2%) und andererseits „Schutz der Familie sowie Angehörigen geht vor“ (60,8%). Als wichtigste Schutzmaßnahme seitens des Arbeitgebers wurde von den Beschäftigten die Bereitstellung von angemessener persönlicher Schutzausrüstung, zum Beispiel adäquater Mundschutz (88,2%), genannt. An zweiter Stelle (74,4%) stand der Wunsch des medizinischen Personals, unmittelbar nach Verfügbarkeit eines pandemischen Impfstoffes zuerst geimpft zu werden. Die Angaben der gewünschten Schutzmaßnahmen wurden getrennt nach Alter, Geschlecht sowie den unterschiedlichen Berufsgruppen in Tab. 4 dargestellt.

Tab. 4 Gewünschte Maßnahmen seitens der Beschäftigten im Gesundheitswesen im Falle einer Influenzapandemie (n=1231) – Mehrfachnennungen waren möglich

Diskussion

Der ehemalige Generaldirektor der WHO, Lee Jong-wook, sagte 2004 im Rahmen einer Konferenz zur Influenzapandemieplanung: „We know another pandemic is inevitable, it is coming. And when this happens, we also know that we are unlikely to have enough drugs, vaccines, healthcare workers and hospital capacity to cope in an ideal way“ [8]. Seit 2004 sind national wie international immense Anstrengungen unternommen worden, um die Vorbereitungen auf eine mögliche Influenzapandemie zu optimieren [1, 9]. Es wurde ein präpandemischer Impfstoff entwickelt, und auch die Forschung an einem pandemischen Impfstoff zeigt bemerkenswerte Forschritte. Die Produktion von antiviralen Medikamenten wurde erhöht, und antivirale Medikamente wurden von den Gesundheitsbehörden gelagert. Jedoch wurde insgesamt wenig getan, um das Vertrauen der im Gesundheitswesen Tätigen zu stärken, dass für die Beschäftigten im Pandemiefall adäquate Schutzmaßnahmen verfügbar sind.

Influenzapandemiepläne berücksichtigen zwar, dass im Pandemiefall ein bestimmter Anteil von Mitarbeitern aus dem Gesundheitswesen aufgrund eigener Erkrankung nicht in der Lage sein wird zu arbeiten. Unberücksichtigt bleibt aber der Anteil von Mitarbeitern, die aus Angst vor einer etwaigen Ansteckung nicht zur Arbeit kommen werden beziehungsweise die aufgrund von privaten Verpflichtungen (Betreuung von Kindern, Pflege erkrankter Angehöriger) oder Transportproblemen nicht zur Arbeit kommen können [7].

Daten aus den USA und Georgien belegen, dass bis zu 50% der Mitarbeiter aus den USA sowie zirka 23% der Beschäftigten aus Georgien sowohl aus dem klinisch-stationären Bereich [4, 5, 6, 10] als auch aus dem öffentlichen Gesundheitswesen [6] im Falle einer Influenzapandemie nicht zur Arbeit kommen würden.

Die Daten unserer Studie zeigen mit insgesamt 36,2% an Mitarbeitern, die angaben, nicht zur Arbeit zu kommen, einen nicht unerheblichen Verlust von Arbeitskraft in einem während einer Pandemie ohnehin schon überlasteten Gesundheitswesen. Überraschend war der große Unterschied zwischen Ärzten und Pflegepersonal in der Bereitschaft, die Tätigkeit im Klinikum auch während einer Influenzapandemie auszuüben. Ebenso überraschend war für uns, dass die Verwaltungsangestellten, also das Klinikumspersonal mit dem zumindest beruflich geringsten Infektionsrisiko, eine signifikant geringere Bereitschaft zur Weiterarbeit zeigen als das ärztliche Personal.

Sieht man sich die Daten im Einzelnen an, ergeben sich unterschiedliche Ansätze, um das Verhalten der Beschäftigten dahingehend zu beeinflussen, dass diese trotz bestehender Bedenken im Falle einer Influenzapandemie zur Arbeit kommen würden.

Beschäftigte, die aufgrund von „Angst, sich selbst oder Angehörige anzustecken“ nicht kommen wollen, müssen davon überzeugt werden, dass die Schutzmaßnahmen für die im Gesundheitswesen Tätigen derart gestaltet werden, dass eine Infektionsgefährdung so weit wie irgend möglich minimiert wird.

Bezüglich der Betreuung von Kindern ist zu überlegen, ob der Arbeitgeber Möglichkeiten hat, eventuell bereits bestehende Angebote zur Kinderbetreuung (kurzfristig) auszubauen, um so den Arbeitseinsatz der Beschäftigten zu ermöglichen. Ob es Möglichkeiten gäbe, durch eine Art „Shuttle-Service“ die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes zu gewährleisten, erscheint bei dem weiten Einzugsbereich der Beschäftigten zumindest im großstädtischen Bereich fraglich.

Persönliche Schutzausrüstungen

In unserer Studie gaben 88,2% der Mitarbeiter an, dass sie ihre Entscheidung, zur Arbeit zu gehen, davon abhängig machen würden, dass der Arbeitgeber adäquate persönliche Schutzausrüstung bereitstellt. Ähnliche Daten fanden sich in einer Studie aus Georgien. Hier forderten 80% der Befragten aus zwei Krankenhäusern in Tiflis und Kutaisi die Verwendung von Schutzkleidung und Masken [10].

Dass persönliche Schutzmaßnahmen Infektionen bei Mitarbeitern aus dem Gesundheitswesen verhindern können, konnte eindrucksvoll durch die Erfahrungen bei SARS belegt werden. Insgesamt 21% der SARS-Patienten waren Beschäftigte im Gesundheitswesen, in einigen Ländern wie Kanada und Singapur waren es über 40% [11]. Seto et al. konnten zeigen, dass es bei konsequenter Benutzung von persönlicher Schutzausrüstung (Überkittel, Handschuhe, Schutzbrille) und der Einhaltung von Hygienemaßnahmen (Händewaschen, Händedesinfektion) zu keinen Übertragungen auf das medizinische Personal gekommen war, wohingegen Infektionen bei Nichtbeachtung dieser Maßnahmen dokumentiert werden konnten [12].

Ethische Pflicht

Bemerkenswerterweise sahen nur insgesamt 55,5% der Befragten unserer Studie eine ethische Pflicht, Patienten im Pandemiefall – auch unter persönlichem Risiko – zu betreuen. Ähnliche Ergebnisse zeigte eine Studie aus den USA, in der ebenso lediglich 55% der befragten Ärzte angaben, eine ethische Pflicht zu haben, Patienten im Pandemiefall auch unter Gefährdung der eigenen Gesundheit zu behandeln [13].

Ethische Richtlinien sollten jedoch erarbeitet und kommuniziert werden, gerade weil menschliches Verhalten häufig nicht sicher vorhersehbar ist, insbesondere dann nicht, wenn Menschen unter starkem emotionalem Druck und höchsten Anforderungen stehen [14]. Die Mitarbeiter haben ihre medizinische Berufswahl in der Regel aus freien Stücken getroffen; das damit verbundene Infektionsrisiko ist ihnen spätestens im Laufe ihrer Ausbildung bewusst worden [15]. Beschäftigte im Gesundheitswesen sind für die Betreuung und Versorgung von Patienten ausgebildet worden; sie können dies besser oder ausschließlich im Vergleich zu nicht ausgebildeten Personen [15, 16, 17, 18]. Folglich stellt sich die Frage, ob daraus nicht sehr wohl eine Verpflichtung für die Beschäftigten abgeleitet werden kann, aus ethischer Sicht im Pandemiefall arbeiten zu müssen [19]. Unbenommen hiervon sind bestehende arbeitsvertragliche Pflichten, dass Arbeitnehmer ohnehin zur Arbeit kommen müssen, sofern sie nicht arbeitsunfähig erkrankt sind.

Dennoch gibt es tief greifende Interessenskonflikte, und es ist nachvollziehbar, dass die Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen werden, wenn für sie dass erwartete Risiko größer ist (Erkrankung oder Tod, Übertragung auf Angehörige) als der vermeintliche Nutzen (Arbeitsplatzerhaltung, gesichertes Einkommen, soziale Verantwortung) [5, 19, 20].

Die Mitarbeiter nehmen im Pandemiefall unter Umständen ein hohes persönliches Infektionsrisiko in Kauf, deswegen ist es eine Pflicht der Gesellschaft und insbesondere auch des Arbeitgebers, diese Mitarbeiter zu unterstützen und zu schützen. Die Beschäftigten des Gesundheitswesens haben das Anrecht auf sichere Arbeitsbedingungen. Hierfür sollte alles nur irgend Mögliche getan werden. Die Mitarbeiter benötigen hinreichende Unterstützung, um die außergewöhnlichen Arbeitsanforderungen und persönlichen Herausforderungen im Rahmen eines pandemischen Geschehens zu bewältigen. Dies sollte selbstverständlich und sicher gewährleistet werden [21]. Umso nachdenklicher sollten die Ergebnisse unserer Studie stimmen. Sie belegen, dass das Vertrauen in die Politik, in das öffentliche Gesundheitswesen sowie in den Arbeitgeber insgesamt von den Beschäftigten als unzureichend beurteilt wurde (Abb. 3). Somit müssen Maßnahmen implementiert werden, die die Bereitschaft der Beschäftigten erhöhen, im Pandemiefall zur Arbeit zu kommen (Tab. 4).

Limitationen

Wenngleich unsere Studie wichtige Aspekte für die Pandemieplanung liefert, hat sie auch Grenzen. Dazu zählt beispielsweise die eher theoretische Frage, sich das eigene Verhalten während einer potenziellen Pandemie konkret bewusst zu machen. Es ist durchaus möglich, dass die Antworten durch ein möglicherweise sozial erwartetes altruistisches Verhalten beeinflusst wurden und dass im Falle einer tatsächlichen Pandemie die Bereitschaft, zur Arbeit zu kommen, noch weitaus geringer ist. Dies wird insbesondere dann zutreffen, wenn sich der Mitarbeiter mit tatsächlich erkrankten engen Familienangehörigen konfrontiert sieht. Auch die Tatsache, dass die Fragebogenerhebung im Rahmen der Influenzaimpfung stattfand, birgt das Risiko einer Störgröße, da unter Umständen die Bereitschaft der Beschäftigten, die eine Influenzaimpfung trotz seit Jahren bestehender Impfempfehlung für das medizinische Personal ablehnen, geringer sein kann als bei Mitarbeitern, die die jährliche Schutzimpfung wahrnehmen. Darüber hinaus haben wir nur knapp ein Drittel (31,6%) der Beschäftigten befragt, wir können keine Angaben über das etwaige Verhalten der Mitarbeiter machen, die nicht befragt wurden. Ebenso handelt es sich bei unseren Daten um die Erhebung innerhalb eines Krankenhauses, und es lässt sich letztendlich nicht mit hinreichender Sicherheit sagen, ob eine Befragung in einem anderen Krankenhaus oder im niedergelassenen Bereich andere Daten ergeben hätte. Trotz allem lassen sich folgende Schlussfolgerungen ableiten:

Fazit

  1. 1.

    Ein überraschend hoher Anteil von Beschäftigten des Gesundheitswesens wird im Falle einer Pandemie womöglich nicht zur Arbeit kommen.

  2. 2.

    Pandemiepläne sollten sowohl den Anteil der erkrankten Mitarbeiter, als auch der Mitarbeiter berücksichtigen, die aufgrund von persönlichen Ängsten sowie privater Verpflichtungen nicht zur Arbeit kommen würden.

  3. 3.

    In der präpandemischen Phase sollten vertrauensbildende Maßnahmen implementiert werden, sodass die Beschäftigten die Gewissheit haben, dass sie im Falle einer Pandemie optimal geschützt werden würden.

  4. 4.

    Eine transparente Kommunikation und eine offene Diskussion über tatsächliche Risiken der Beschäftigten sowie suffiziente Schulungsmaßnahmen sollten bereits im Vorfeld erfolgen.

  5. 5.

    Den einzelnen Mitarbeitern sollte ihre persönliche Rolle in der Aufrechterhaltung eines funktionierenden Gesundheitswesens bewusst gemacht werden. Dies betrifft nicht nur das Personal, das direkt mit der Patientenversorgung betraut ist, sondern ebenso Bereiche wie beispielsweise die Labordiagnostik als auch Reinigungs- und Technikpersonal sowie Verwaltungsbedienstete.